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Impuls zum 5. März 2023

Zum 2. Sonntag in der österlichen Bußzeit

Von Ferdinand Kerstiens (Marl), pax christi Münster

Glauben heißt Aufbruch
„In jenen Tagen sprach der Herr zu Abraham: Zieh weg aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich werde segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den werde ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Da zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte.“ (Genesis 12,1-4a)

Abraham zieht aus seiner Heimat aus mit einem Ziel, das er (noch) nicht kennt, sondern das nur von Gott gesichert ist: „Zieh in das Land, das ich dir zeigen werde." Abraham lässt sich herausrufen aus der gewohnten Umgebung, aus dem gewohnten Glauben in ein neues, offenes Land. Abraham muss immer wieder neu fragen, wohin er denn weiterziehen soll. Er findet nicht immer den richtigen Weg, verliert sich in Sackgassen, wird schuldig, muss umkehren. Er muss immer wieder durch Wüsten hindurch, buchstäblich, aber auch bildlich gesprochen: er muss durch die Wüsten der Orientierungslosigkeit und Unsicherheit, der offenen Fragen und Zweifel hindurch. Dennoch findet er seinen Weg. 

Auch die andere Verheißung, dass er zum Stammvater eines großen Volkes werden soll, erfüllte sich nur nach langen Umwegen und Enttäuschungen. Dieses ganze Unterwegs-Sein nennt die Schrift: Abraham glaubte und sein Glaube wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet. Glauben heißt, mit einer unwahrscheinlichen Verheißung unterwegs zu bleiben. „Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt, dass er der Vater vieler Völker werde.“ (Röm 4,18) So sagt Paulus. Für ihn ist der Weg Abrahams, sein Glaubensweg, das Bild des Glaubens schlechthin. 

Auch wir müssen wie Abraham immer wieder Vertrautes hinter uns lassen, aufbrechen und uns in Neues hineinwagen, inmitten aller Anfechtungen und Dunkelheiten, aufbrechen in das noch unbekannte Land, in das Gott uns führen will. Das gilt für jeden und für jede ganz persönlich und für uns gemeinsam. Das bedarf einer großen Wachheit, um neu hinzuhören. In einem alten Lied von Milva heißt es „Wir müssen wach sein, hellwach sein in dieser eingeschlafenen Zeit. Wir müssen wach sein, was man uns auch in die Augen streut, hell wach sein, auch wenn viele das nicht freut.“ 

Wir müssen neu aufbrechen auch als Kirche. Sie, die Kirche als ganze, und wir als Kirche sind noch nicht im gelobten Land, sondern immer noch mit einer unwahrscheinlichen Verheißung unterwegs. Wir sind keine societas perfecta, keine perfekte Kirche, die man nur erhalten muss, wie man es früher gerne dachte und wie es manche nicht nur in Rom heute noch für richtig halten und das mit Treue im Glauben verwechseln.  Es gibt keinen „christlichen Standpunkt“, auf dem man stehen bleiben könnte. Was muss die Kirche hinter sich lassen an gewohnten Strukturen, Bevormundung und Macht, an Scheinheiligkeit und Vertuschung schrecklicher Verbrechen? Wie wird sie neu glaubwürdig mit ihrer Botschaft des Lebens? Die Kirche, wir alle brauchen immer neue Aufbrüche, um im Heute glauben zu können, hoffend unterwegs zu bleiben. 

Abraham hat seine Heimat verlassen, seine religiösen Traditionen, all seine Sicherheiten. Nur so konnte er in das Ungewisse, in das Verheißene aufbrechen. Nur so wurde er zum Segen für viele Völker. So sind auch wir unterwegs mit der unwahrscheinlichen Verheißung des Reiches Gottes und seiner Gerechtigkeit und wissen nicht, wohin Gott uns führen will. Das zeigt sich nur Schritt für Schritt wie bei Abraham. Da kann es auch wieder Irritationen geben, Sackgassen, die Umkehr nötig machen. Glauben macht immer wieder Orientierung nötig, Aufbruch, Bitte um den Geist, den Jesus als Beistand verheißen hat und der uns in die volle Wahrheit des Lebens einführen wird (Joh 16,13). Der Geist ist damit noch nicht fertig.

Wir erleben diese Unsicherheit des Weges gerade jetzt nicht nur in den Auseinandersetzungen um den Weg der Kirche, sondern auch im Blick auf den Krieg in der Ukraine. Jesus hat den Weg gewiesen, wie wir es an den letzten Sonntagen in seiner Bergpredigt gehört haben. Was heißt das heute: auch noch den Mantel geben, die andere Backe hinhalten, eine zweite Meile mitgehen, gar die Feinde lieben? Was heißt das für mich persönlich, was für unsere Kirche, was für unser Volk? Den Frieden leben, den Frieden suchen – wie geht das konkret? „Den“ Frieden werden wir nicht finden. Aber mehr Frieden, mehr Gerechtigkeit, mehr Leben für die Opfer zuerst. Waffen für die Opfer, damit sie sich wehren können gegen die ungerechte Gewalt? Oder keine Waffen, damit das gegenseitige Töten aufhört? Aber hört es dann auf? 

Ich bin da unsicher. Aber es schreckt mich, wenn auf der Münchener „Sicherheitskonferenz“ (verdient sie diesen Namen?) nur von Waffen geredet wurde. Die Militarisierung der Diskussion, die Militarisierung des Bewusstseins ist unerträglich. Da müssen deeskalierende Stimmen laut werden, deeskalierende Strategien entwickelt und eingebracht werden. Da müssen wir auch als pax christi dazwischen sein, „Sicherheit neu denken“, mitdenken. Wir müssen aber auch unsere Schwäche aushalten, unsere Ohnmacht annehmen. Auch das ist eine weise des Glaubens, wie Paulus das immer wieder betont.    

Doch um solchen Glaubensweg durchzuhalten, um nicht aufzugeben, nicht zu resignieren, braucht es immer wieder Ermutigungen. Das gilt auch für den Glaubensweg Jesu selbst und seine Jünger. Sie spürten, dass die Menschen wegblieben, weil Jesus nicht ihre Erwartungen erfüllte. Es wurde einsam um sie und jetzt wollte Jesus auch noch ins gefährliche Jerusalem, wo ihm seine Gegner gut auflauern konnten. 

An dieser Stelle steht im heutigen Evangelium die Verklärung Jesu auf dem Berg (Mt 17,1-9). Jesus wird durchstrahlt von der Nähe Gottes. Einen Augenblick nur, vorübergehend, aber als Verheißung der Zukunft, worauf alles hinauslaufen soll. Die Evangelisten haben diese Szene sicher schon von der Auferstehung her gemalt und gedeutet. Aber Jesus und die Jünger dürfen und können noch nicht auf dem Berg bleiben. Sie müssen hinab in die Mühen der Ebene. Doch in der Kraft dieser Erfahrung geht Jesus nach Jerusalem und seine Jünger folgen ihm. Wir sind in der österlichen Bußzeit. Die ruft zur Umkehr, zu neuem Aufbruch. Aber sie führt auch zum Karfreitag, zur äußersten Ohnmacht. Doch dass die Menschen, die Jesus bis hierhin gefolgt sind, davon in neuer Hoffnung erzählen können, ist schon Ostererfahrung.

Die Ermutigung ist für unseren Glaubensweg durch alle Dunkelheiten hindurch für viele immer noch Jesus selbst. Er ist nicht so weit von uns weg. Seine Menschenfreundlichkeit und Güte, die in seinen Worten und Zeichen deutlich wurde, seine Zuwendung zu den Kleinen, den Ausgegrenzten, die Ermutigung zum Leben, zum aufrechten Gang: das strahlt in unsere Zeit wie er damals auf dem Berge. Das ist unwahrscheinlich, einladend, ermutigend. Glaube wird zur Nachfolge, wie sehr wir auch auf unserem Glaubenswege zögern und stolpern, in den Dunkelheiten und Fragen nicht mehr die nächsten Schritte sehen.

Ermutigung können wir auch füreinander sein, wenn wir unsere Glaubenserfahrungen, unsere Dunkelheiten, aber auch unsere positiven Erfahrungen miteinander teilen. Wo Menschen ihren Glauben teilen, sich gegenseitig auf den Glaubenswegen ermutigen und dann auch diesen Glauben gemeinsam feiern, da entsteht Gemeinde Jesu. Da werden Menschen füreinander zu Zeuginnen und Zeugen, die einander stützen und helfen. Nur so können wir auch in aller Unsicherheit und Vorläufigkeit nächste Schritte zum Frieden suchen, finden und gehen, im persönlichen Bereich wie in unserer unfriedlichen Welt. 

Gebet
Ich glaube, verborgener Gott, aber hilf meinem Unglauben.
Abraham hat vieles hinter sich gelassen,
er hat den Aufbruch gewagt, Schritt für Schritt:
Sein verworrener Weg, sein immer neuer Aufbruch:
all das wagte er in seinem Vertrauen auf dich, 
das war sein Glaube.

Wo bin ich gerade? Welchen Aufbruch muss ich wagen?
Was muss ich hinter mir lassen? 
Welche Wege geht deine Kirche? 
Was muss sie hinter sich lassen?
Wo finde ich, wo findet deine Kirche
Orientierung für die nächsten Schritte,
Ermutigung, Erfahrung deiner Nähe?

Sei mit uns auf dem Weg in Jesus, unserem Bruder!
Sei mit uns mit deinem Geist,
damit wir gemeinsam die Fragen aushalten
und uns gegenseitig halten und ermutigen.

Dann werden wir neue Wege gehen,
Wege zu mehr Gerechtigkeit und Frieden,
deine Wege in die Zukunft, 
die du uns zeigen wirst wie damals Abraham. 
Schenke uns dazu deinen Segen,
damit auch wir zum Segen werden für die Menschen!

 

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