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pax christi

menschen machen frieden - mach mit.

Unser Name ist Programm: der Friede Christi. 

pax christi ist eine ökumenische Friedensbewegung in der katholischen Kirche. Sie verbindet Gebet und Aktion und arbeitet in der Tradition der Friedenslehre des II. Vatikanischen Konzils. 

Der pax christi Deutsche Sektion e.V. ist Mitglied des weltweiten Friedensnetzes Pax Christi International.

Entstanden ist die pax christi-Bewegung am Ende des II. Weltkrieges, als französische Christinnen und Christen ihren deutschen Schwestern und Brüdern zur Versöhnung die Hand reichten. 

» Alle Informationen zur Deutschen Sektion von pax christi

Das Märchen vom menschenfreundlichen Krieg

08. Feb 2017

Der Publizist und Theologe Peter Bürger eröffnete mit seinem Vortrag "Das Märchen vom menschenfreundlichen Krieg" am 30.1.2017 die Veranstaltungsreihe "Krieg und Terror - gibt es pazifistische Wege aus den Krisen?"

Mehr als 70 interessierte Zuhörer*innen fanden sich am Abend in der Alten Amtmannei in Nottuln ein. Nach einem ausführlichen Vortrag von Peter Bürger gab es viele spannende Fragen und Kommentare, die unser Referent gerne beantwortete.

Hier finden Sie ein Video des Vortrags
Hier finden Sie einen Bericht in den "Westfälischen Nachrichten"

Unter der Rubrik "Termine" finden Sie weitere Termine und Informationen der Veranstaltungsreihe

Hier lesen Sie eine Zusammenfassung Bürgers Vortrag:


„Das Märchen vom menschenfreundlichen Krieg“

 Auf dem Globus wird jährlich die astronomische Summe von 1.700 Milliarden Dollar in den Militärapparat gesteckt. Hiervon profitieren allein Rüstungsproduzenten und andere Kriegsindustrien. Die Menschheit aber wird zum Verlierer, denn das Geld fehlt der Weltgesellschaft beim Aufbau einer Zivilisation des Friedens. Wir müssen uns entscheiden, ob wir weiterhin in den Tod investieren wollen oder stattdessen lieber in das Leben.

1945 erklärten die Vereinten Nationen in ihrer Charta, die Menschheit solle von der Geißel des Krieges befreit werden. Vor einem Vierteljahrhundert gab es die Chance, damit ernst zu machen. Doch auch nach Ende des Ost-West-Konfliktes wurden Weichen für eine neue kriegerische Welt-Unordnung gestellt. Ganzen Generationen brachte man unterdessen in der Schule bei, Militärs seien „Brunnenbauer“ und „Friedensbringer“ (Peacekeeper). Den Pazifisten warf man hingegen vor, sie wollten bei Völkermorden feige zusehen und nichts tun.


Inzwischen liegt der vollständige Bankrott der militärischen Heilslehre offen zutage. Vor allem der mit nachweislichen Lügen gerechtfertigte Angriffskrieg auf den Irak 2003 hat zu einer unkontrollierbaren Gewaltexplosion geführt, die viele Länder erfasst. (Bis heute musste sich kein verantwortlicher Kriegsverbrecher aus den mächtigen Staaten hierfür verantworten.) Der Papst spricht von einem „Weltkrieg auf Raten“. Der neue Rüstungswettlauf dafür erstreckt sich auch auf „moderne“ Atomwaffen. Die Zukunft wird für die noch nicht geborenen Generationen verbaut.


Deutschland hätte nach zwei Weltkriegen eine führende Friedensnation werden sollen. Doch unser Land gehört zu den Spitzenreitern der Kriegsgüterexporteure. Die Regierung könnte die verfassungswidrigen Waffenlieferungen in alle Welt stoppen, doch sie tut es nicht. Im Bundeswehrweißbuch wird die Sicherung von nationalen Wirtschafts- und Machtinteressen als Ziel vorgegeben. Die Atomwaffen bleiben im Land und werden modernisiert. Der Militärhaushalt soll explosiv wachsen. Allein vorgesehene „Extrainvestitionen“ bis 2025 betragen 130 Milliarden Euro. Das Verhältnis von Militärausgaben und Friedensbudgets sieht weltweit noch betrüblicher aus als in der Nähe. Die UNO hat man derweil förmlich zur Bettlerin degradiert.

Im Rückblick erweisen sich nun aber alle Kriege der letzten Jahrzehnte, die angeblich für menschenfreundliche Ziele geführt wurden, als Lügengebilde und Katastrophen. Seit 15 Jahren ist Afghanistan ein endloser Kriegsschauplatz, Ausgang offen! Der Wahnwitz der militärischen ISAF-Beteiligung hat die Steuerzahler hierzulande fast 9 Milliarden Euro gekostet. Doch niemand bei uns übernimmt Verantwortung dafür. – Für die Bombardierungen über Libyen beriefen sich NATO-Mitglieder 2011 auf die Idee der „Schutzverantwortung“, doch in Wirklichkeit sollte eine Regierung gestürzt werden. Danach ist der Staat vollständig zusammengebrochen und „Libyen“ zur Quelle von Terror in den Nachbarländern geworden. Die Ausgangslage erschien später auch ganz anders als zuvor in Sicherheitsrat und Öffentlichkeit dargestellt.

Selbst wenn man den Zielen und vermeintlich guten Absichten bei „humanitären Interventionen“ Glauben schenken wollte, so ist doch durch eine lange Kette von Exempeln erwiesen: Militärische „Lösungen“ funktionieren einfach nicht. Mit Bomben aus der Luft kann man nur neue Gewalt produzieren und zwar auf Jahrzehnte hin.

 

Wer Menschen schützen und an friedlichen Verhältnissen mitarbeiten will, muss mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. Jährlich könnten 20 Millionen Menschen vor einem Tod aufgrund von Unterversorgung bewahrt werden. Doch hier denkt niemand an eine verpflichtende Menschenrechtsverantwortung der Völkergemeinschaft. Endlose weitere Felder ließen sich nennen, auf denen mit einem rationalen und solidarischen Vorgehen das Leben vieler Millionen Menschen gerettet werden könnte – und gleichzeitig die Ursachen von Flucht und Krieg entscheidend verringert würden. Dass dies nicht geschieht, beweist: Es geht den Predigern der militärischen Heilslehre gar nicht um die Rettung von Menschenleben. Aktive gewaltfreie Verfahren, Prävention und zivile Konfliktbearbeitung funktionieren. Doch hierfür stehen bislang gemessen am weltweiten Kriegsbudget nur lächerliche Portokassen zur Verfügung. Es ist gewollt, dass die einzige Alternative „lächerlich“ klein bleibt. Der Kriegsapparat verweigert sich einer vollständigen Kurswende hin zu zivilisatorischer Intelligenz, Friedenswissenschaften und Friedensindustrien, denn er will sich selbst immer weiter aufrechterhalten.


„No Peace without Justice!“ Ohne Gerechtigkeit auf dem Globus kann es keinen Frieden geben. Eine Wirtschaft, der das Wohl der Mehrheit der Menschen gleichgültig ist, kann sich nach zutreffender Analyse des Papstes nur durch Militärgewalt aufrechterhalten. Die mächtigen Staaten wollen keine fairen Handels- und Wirtschaftsbedingungen für alle. Ein Prozent der Weltbevölkerung verfügt über so viel Vermögen wie die restlichen 99 Prozent. Es ist naiv, man könne ohne einen Abschied von den aggressiven Wirtschaftskomplexen eine friedliche und überlebensfähige Zivilisation aufbauen.

Spätestens seit Zündung der ersten Atombombe und ebenso unter dem Vorzeichen des Klimawandels steht die Menschheit in einem unzerreißbaren Schicksals-Verbund. Die drängenden Probleme der Zivilisation können nur von allen gemeinsam gelöst werden, sonst bleiben sie ungelöst und ein Zeitalter mit bislang noch unbekannten Dimensionen der „Barbarei“ wäre die Folge. Deshalb gehört eine durchgreifende Reform der UNO zu den vordringlichsten Herausforderungen der Gegenwart.


Unter den Bedingungen einer gerechteren Weltordnung und einer demokratisch reformierten Organisation der Vereinten Nationen wäre es endlich auch möglich, funktionierende Verfahren für Prävention und Schutz gegen Völkermord und andere Verbrechen gegen die Menschheit zu entwickeln und anzuwenden. Hier gibt es in der Friedensbewegung keine Denkverbote. Wer jedoch die „Schutzverantwortung“ (Responsibility to Protect) militärisch denkt, der hat sie schon beerdigt und obendrein dem kriegerischen Missbrauch Konzepte durch die mächtigsten Staaten Tür und Tor geöffnet.


Der Kriegsapparat ist auf allen Ebenen bankrott und wird von einer überwältigenden Mehrheit der Menschen abgelehnt. Klares Denken tut Not. Dies wird sich jedoch nur mit einer neuen Kultur der Gewaltfreiheit und einem neuen, unerhörten pazifistischen Selbstbewusstsein den Weg bahnen können: Krieg ist die ultimative Irrationalität. Zum Frieden gibt es keine Alternative.